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15.10.2019

Denkmalschutz im Gespräch

Denkmalschutz im Gespräch


„Fluch oder Segen“ - Vortrag von Christian Fehr in Stadtallendorf


Stadtallendorf. Die Stadt Stadtallendorf lädt zu einem Vortragsabend mit Architekt Carsten Fehr, Denkmalagentur Marburg, ein. Am 22. Oktober 2019, 19 Uhr, wird er die Frage klären, ob es nun „Fluch oder Segen“ ist, ein denkmalgeschütztes Haus zu besitzen. Der Vortrag findet im Aufbaugebäude, Aufbauplatz 4, Stadtallendorf, statt.
Eigentümer einer vom Denkmalschutz betroffenen Immobilie zu sein - ist dies Fluch oder Segen? Ein altes Haus besitzt Charakter und ist Zeugnis traditioneller Handwerkskunst. Doch sobald eine Sanierung, ein Umbau oder eine Restaurierung ansteht, gelten feste Regeln und Bestimmungen, die zu höherem Aufwand und Kosten führen können. Ist es lohnenswert, Beratung und Fördermöglichkeiten in Anspruch zu nehmen, um kulturhistorisch-interessante Bausubstanz zu erhalten? Oder stimmt die weitläufige Meinung, dass denkmalschutzrechtliche Regeln und Bestimmungen individuelle Entscheidungen behindern? Ist dies im Umgang mit denkmalgeschützten Immobilien Realität? Diesen Fragen soll im Rahmen des Vortrages nachgegangen werden. Im Anschluss können die Zuhörer sich kurz zu den unterschiedlichen Fördermöglichkeiten für vom Denkmalschutz betroffene Immobilen informieren.

Interview mit Carsten Fehr
Frage: Herr Fehr, Denkmalschutz – bei diesem Wort zuckt so mancher Eigenheimbesitzer zusammen. Warum ist das so?
Carsten Fehr: Denkmalschutz, sowie Denkmalpflege, ist bei vielen Menschen und Denkmalbesitzern ein negativ belegtes Wort. Denkmalschutz wird oft als Gängelung empfunden und als unnützes Regulativ an einem Denkmal Veränderungen vorzunehmen. Frühe Kommunikation vor einem Veränderungsprozess an einem Denkmal, sowie Aufklärung und Hilfestellung von Seiten unterstützender Personen und Einbindung aller Beteiligten und Behörden stellt einen Schlüssel zur Entspannung dieses oft mit alten Vorurteilen und Glaubenssätzen beladenen Bereiches da. Aus der nichtzutreffenden Meinung Denkmalschutz, Denkmalpflege sei eine ´Verhinderungsinstanz´ wird durch einen modernen Entwicklungsprozess eine für alle Seiten zielführende Handlung. Und aus dem Zielkonflikt ein befriedigendes Ergebnis. Da die Tätigkeit des Denkmalschutzes keine Frage des persönlichen Geschmackes oder der Ästhetik ist, sondern an Hand klarer Kriterien, Gesetzgebung umzusetzen ist, stellt dies oft die Schwierigkeit im Vermittlungsprozess da. In der persönlichen, auch Vor- Ort Beratung, ist dies ein Hauptmerkmal einer aufklärenden, hilfreichen Beratung. Unter Anderem kann so ein positives Verständnis für Denkmäler und die Denkmallandschaft entstehen. Und der Wert der zeugnisgebenden Architektur geschätzt werden.


Frage: Planer und Architekten setzen den Bedenken auch gerne die Idee von der konstruktiven Kreativität entgegen. Ist das ein gangbarer Weg für die Zukunft?
Carsten Fehr: Wenn konstruktive Kreativität bedeutet, Rückbau, massiver Eingriff, statt Auseinandersetzung mit dem Denkmal und Lösungsfindung im Bestand ist dies nicht der Weg der zu gehen ist. Arbeiten am Denkmal heißt die Zielrichtung der maximal möglichen Substanzerhaltung zu verfolgen. In der Konsequenz ist das eine sehr Kreativität fordernde Arbeit die in den Anforderungen weit über der Tätigkeit Rückbau und Ersatz schaffen steht. Arbeiten am Denkmal fordert Erfahrung, Kreativität und gestalterisches Können. Wenn konstruktive Kreativität bedeutet Schaffenskraft und architektonische Leistung im Denkmal umzusetzen, ist dies eine ganz hoch anzusetzende Disziplin im Tätigkeitsfeld von Planern und Architekten. Der heutige Bestand von Denkmälern schafft diesen Transformationsprozess in die neue Nutzung nur, wenn die Anforderungen an diese von Kapazitäten aus der Architekten und Planerschaft bearbeitet werden.


Frage: Für Städte und Kommunen ist es von großer Bedeutung, historische Substanz zu erhalten und zugleich Lebensqualität zu verstärken. Was kann hier der Denkmalschutz leisten?
Carsten Fehr: Kurz umrissen, unter Denkmalschutz versteht man die hoheitlichen Tätigkeiten, unter Denkmalpflege die wissenschaftlichen und beratenden Tätigkeiten. Beide sind zwingend für eine nachhaltige und wertige Entwicklung eines Ortes, Stadt oder Landkreis zu sehen. Mit diesen und weiteren Instrumenten kann im kommunikativen Entwicklungsprozess von Lebensqualität geprägten Kommunen eine nachhaltige Wertschätzung für den Denkmalbestand geschaffen werden. Zudem ist eine Denkmalimmobilie in Sachen Identitätsschaffung, Identitätsstiftung, Flächenverbrauch, graue Energie, Ressourcenschutz und mehr schon per se nachhaltig. Politik, Bürgerinnen und Bürger der Kommunen, Denkmalschutz und -pflege müssen Partner in einem solchen Entwicklungsprozess werden.


Frage: Für wie bedeutend halten Sie es, in Stadtallendorf und in seinen Stadtteilen aktiven Denkmalschutz zu forcieren?
Carsten Fehr: Die reichhaltige, zum Teil als Alleinstellungsmerkmal auftretende Architektur in Stadtallendorf bedarf dem Schutz. Denke man nur an die Vielgestalt der Fachwerkarchitektur in Form von Hofanalagen und herrschaftlichen Gebäuden. Bedeutenden Kirchenbauten der 60er Jahre oder die von Otto Bartning gebauten Notkirchen, Siedlungshäuser der 30 und 40er Jahre und der komplexen Architektur der DAG und WASAG. Persönlich halte ich es für wichtig, diese und andere Denkmalarchitektur zu schützen und vor einer Überformung zu bewahren. Das heißt nicht, dass es dann zu keiner Nutzung dieser Architektur mehr kommt. Vielmehr ist hier wie Anfangs beschrieben, Kreativität und die Gabe für Ideen im Entwurf und die dazugehörige Ästhetik gefragt. Aus dieser resultiert eine ästhetisch ansprechende authentische Denkmallandschaft die Ihre Akzeptanz findet und dadurch zu einem Zeichen in der Region wird.


Frage: Welche Unterstützung können Bauherrinnen und Bauherren erwarten?
Carsten Fehr: Es gibt im Landkreis und Bundesweit eine Vielzahl von Angeboten die ein breites Spektrum der Fragestellungen abdecken. Von Antragsunterlagen bis Zuschüssen kann der Besitzer, Interessent, erdenkliche Leistungen und Beratungen bei den unterschiedlichsten Institutionen erhalten. Dazu gehören zum Beispiel die Baubehörden, Architektenkammern, Handwerkskammern, freie Berater. Oftmals geht es im Veränderungsprozess um Fragen der finanziellen Unterstützung und Genehmigungsfragen, die Architektur betreffend.

Autor/in: Anke Koob
Quelle: Magistrat der Stadt Stadtallendorf