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02.12.2021

Für einen starken Sozialstaat

VdK-Präsidentin fordert Reform des Rentensystems 

VdK-Präsidentin Verena Bentele war zu Gast in Hessen und Thüringen. Bei ihrer Lesereise durch die beiden Bundesländer stattete sie auf Einladung des VdK-Kreisverbands Marburg auch Stadtallendorf einen Besuch ab, um ihr jüngstes Buch „Wir denken neu. Damit sich Deutschland nicht weiter spaltet“ vorzustellen.

Bürgermeister Christina Somogyi begrüßte die 39-Jährige im Saal der Stadtverordneten in der Stadthalle. Trotz Corona hatten sich etwa 30 Bürgerinnen und Bürger aus Stadtallendorf – darunter natürlich viele VdK-Mitglieder – für diese Veranstaltung angemeldet und folgten mit großem Interesse den Worten der VdK-Präsidentin. Denn Verena Bentele las nicht nur einige Passagen aus ihrem Buch vor. Im Gespräch mit Philipp Stielow, dem Pressesprecher des VdK-Landesverbands Hessen-Thüringen und Co-Autoren von „Wir denken neu“, der die Lesung moderierte, schilderte sie auch sehr persönlich, woher ihr leidenschaftliches Engagement für Sozialpolitik rührt. Selbst von Geburt an blind, war sie beispielsweise als Schülerin auf einen Spezial-Computer angewiesen, der die Texte sprach, die sie nicht lesen konnte. „Die Krankenkasse hat damals die Kosten für die Anschaffung dieses Geräts übernommen. Meine Familie hätte das nicht bezahlen können“, erzählte sie. Das habe ihr schon früh gezeigt, wie wichtig ein funktionierender Sozialstaat sei. Unter anderem auch dank dieses Computers konnte Verena Bentele 2001 an der Marburger Schule für blinde und sehbehinderte Kinder ihr Abitur ablegen.

Die Stärkung der sozialen Sicherungssysteme ist auch das zentrale Thema ihres Buchs. Wie sich die Sozialversicherung fit für die Zukunft machen lässt – dafür hat die VdK-Präsidentin einige sehr konkrete Vorschläge parat. So plädiert sie beispielsweise dafür, die private und gesetzliche Krankenversicherung miteinander zu verschmelzen. Auch fordert sie, eine einzige Rentenversicherung für alle zu schaffen, in die künftig auch Selbstständige und Beamte einzahlen sollen. Ihr besonderes Anliegen aber ist die Situation in der häuslichen Pflege. Immerhin werden, was die meisten nicht wissen, etwa 80 Prozent aller Pflegebedürftigen, also rund drei Millionen Menschen, zu Hause versorgt, zu einem Großteil sogar ausschließlich durch ihre Angehörigen. Eine Umfrage, die der VdK Hessen-Thüringen im vergangenen Jahr mit 3.000 Betroffenen durchgeführt hat, ergab, dass sich die meisten Pflegenden mehr Unterstützung und Begleitung in ihrem oft extrem anstrengenden Alltag wünschen. Auch beklagen viele mangelndes Verständnis auf Seiten ihrer Arbeitgeber. Der VdK fordert daher, ähnlich wie beim Elterngeld eine Lohnfortzahlung für Arbeitnehmer einzuführen, wenn sie wegen der Pflege eines Verwandten eine berufliche Auszeit nehmen. Diese Freistellung soll bis zu drei Jahre dauern können – wie die Elternzeit. Natürlich kostet eine Reform des Sozialstaats, wie sie die VdK-Präsidentin vorschlägt, viel Geld. Kein Wunder also, dass in der Stadtallendorfer Stadthalle auch lebhaft über das Thema Steuergerechtigkeit diskutiert wurde.

Bei etlichen Zuhörern hatten die Lese-Kostproben Lust auf mehr geweckt, so dass am Ende der Veranstaltung reger Betrieb am Büchertisch herrschte. Auch Bürgermeister Christian Somogyi reihte sich ein, um ein eigenes Exemplar von „Wir denken neu“, persönlich signiert von der Autorin, zu erwerben. Für ihn wie auch für viele andere eine bleibende Erinnerung an einen interessanten Abend mit vielen Denkanstößen und an einen ganz besonderen Gast in ihrer Stadt.