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24.10.2019

Stolpersteine erinnern

Für eine Kultur der Erinnerung sorgen


Gunter Demnig verlegt Stolpersteine / Gedenken an Opfer des Nationalsozialismus


Stadtallendorf. Mit fester Stimme dankte Sue Scheinerman den Menschen, die mit ihr vor dem Wohnhaus in der Schweinsberger Straße 2 standen: „Danke, dass Sie sich mit mir an meinen Vater und Onkel erinnern.“ Ernst Stein, so der Name ihres Vaters, lebte einst mit seiner Familie in Niederklein und floh vor dem Regime der Nationalsozialisten im Jahr 1936 in die USA. Familien, die „im wahrsten Sinne des Wortes noch gegenwärtig sind“, so Ortsvorsteher Hartmuth Koch in seiner Ansprache. „Hija mia mi Querida“ ließ das „Duo Santiago feat. Faleh Khaless“ erklingen, während Künstler Gunter Demnig die von ihm gestalteten Stolpersteine in das Trottoir vor dem Haus versenkte. Zwei goldfarbene Metallplatten tragen die Namen von Julius Stern, Jahrgang 1903 und Ernst Stern, Jahrgang 1905. Sie ergänzen die Stolpersteine, die bereits hier von Demnig installiert wurden. Erinnerungen an Emma Stern, deportiert nach Riga und Maier Stern, der im Gefängnis Marburg verstarb sowie Paula Stern, die bei der Deportation nach Theresienstadt verstarb.
„Unsere Generation“, so Hartmuth Koch, „hat die Aufgabe, für eine Kultur der Erinnerung zu sorgen. Dabei meine ich nicht nur, für Gedenk- und Stolpersteine zu sorgen. Ich meine vor allem unsere Zukunft, auch gerade hier im Ort, ohne Hass und Gewalt zu gestalten.“ Die Generationen und Religionen seien aufgerufen, dafür zu sorgen, dass sich jeder hier zu Hause fühlen kann.
Amnon Orbach, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Marburg, betete das Kaddisch. Begleitet wurde Künstler Demnig auch von Gedenkenden und Schülern der Georg-Büchner-Schule. Für die Jugendlichen war es eine besondere Aufgabe, die Namen und Biographien der Opfer des Nationalsozialismus vorzutragen und für jedes einzelne von ihnen eine Rose niederzulegen. Bei dieser dritten Stolpersteinverlegung in der Kernstadt von Stadtallendorf wurde damit Israel, Ella, Herbert, Hans Helmut und Lieselotte Buxbaum gedacht, welche in der Emsdorfer Straße 9 wohnten. Vor dem Haus in der Hauptstraße 32 wurde für Gottfried Buxbaum sowie seine Familienangehörigen Hedwig, Horst, Renate Fanny und Albert Buxbaum je ein Stolperstein verlegt. In der Obergasse 13 in Niederklein wurde ein Stein für Abraham Krämer ergänzt.
Auch in Schweinsberg gedachten Bürgermeister Christian Somogyi und rund 30 Menschen den Opfern. Vor dem Haus Im Tal 24 wird künftig an Albert, Emma und Julius Feibelmann erinnert. Im Froschwasser 6 wohnte einst Moritz Katz, der nach einem Zwangsumzug im Jahr 1942 nach Rauischholzhausen, mit 53 Jahren in Auschwitz ermordet wurde. Auch an seine Frau Paula, ermordet in Auschwitz und seine Tochter Blanka, ermordet in Mauthausen, wird mit Stolpersteinen erinnert. Im Froschwasser 6 wohnten einst Lina und Moritz Katz, die beide in die USA flüchten konnten. Damit wurden bei der dritten Stolpersteinverlegung 21 Erinnerungen in die Erde gebettet.
Eine weitere Veranstaltung wird bereits vom Förderverein für Stadt- und Regionalgeschichte Stadtallendorfs 1933-1945 e.V. geplant. Für Gunter Demnig eine sinnvolle Vorgehensweise. „Es ist besser, die Erinnerung immer wieder wachzurufen und die Stolpersteine nach und nach zu verlegen“, betonte er, „denn so sind sie immer gegenwärtig. Das ist wichtig, denn das Gespräch darüber, was passiert ist, darf niemals aufhören.“ Er verlegte in Stadtallendorf bislang 35 Steine, nun kamen 21 dazu. Bürgermeister Somogyi unterstrich diesen Gedanken: „Es geht um Menschen, deren Namen und Schicksale wieder genannt werden, die mit Hilfe der Stolpersteine wieder Teil der Gemeinden werden, in denen sie einmal gelebt haben. Erinnerung aber ist die Voraussetzung dafür, dass die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholt werden. Wenn unsere Gesellschaft heute auf etwas stolz sein kann, dann ist es unser Umgang mit der Vergangenheit.“ 

Autor/in: Anke Koob
Quelle: Magistrat der Stadt Stadtallendorf