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Die Pfarrkirche St. Blasius und St. Elisabeth in Niederklein

Niederklein ist seit dem 01.07.1974 ein Stadtteil von Stadtallendorf und zählt heute ca. 1.600 Einwohner. Seinen Namen hat der Ort von dem Bach Glene, Gleen, an deren Unterlauf der Ort liegt. Es sind verschiedene Ortsnamen überliefert: Glene, Gleyne, Nydern Glene, Niederglein. Die angeführten Ortsbezeichnungen kommen aus dem Keltischen. Dort bedeutet "Glene" soviel wie "klar", "rein".

Eine alte Urkunde, in denen Niederklein und auch seine Kirche erwähnt wird, stammt aus dem Jahre 917/18. Aus der Urkunde erfahren wir von einem Gütertausch zwischen dem Kloster Fulda und dem Laien Gramann. Gramann gab außer anderem Grundbesitz in Erfurtshausen zwei Huben und zwei Hofstätten und empfing dafür in Niederklein (Gleene) den dortigen Besitz des Klosters, wo die Kirche gebaut wurde. 

Im Jahre 1256 wird erstmals der Name eines Pfarrers Erpo in Niederklein erwähnt. Eine Pechnase an dem Kirchturm und Schießscharten sowie eine den Kirchhof umgrenzende starke Mauer mit zugemauerten Toren lassen auf eine Wehrkirche schließen.

Von der furchtbaren Katastrophe, die am 18. September 1697 das gesamte Dorf Niederklein bis auf wenige Häuser vernichtete, berichtet eine Eintragung in die Pfarrchronik:
"Am 18. September 1697 ist der gesamte Ort Niederklein zugleich mit der Kirche abgebrannt. Nach dem Brand ist nach der Versetzung des früheren Pfarrers der Kaspar Püttmann von unserem hochwürdigen Herrn Franz von Schönborn in diese Pfarrei gesandt worden".

Von der Kirche blieb nur das Gemäuer vom Turm erhalten. Über die Brandursache und den Wiederaufbau des Dorfes sind keine Urkunden vorhanden. Nach mündlicher Überlieferung haben sich die umliegenden Dörfer den hart getroffenen Einwohnern Niederkleins angenommen und vor allem das Vieh über den Winter gefüttert. Nach zwei Jahren sei das Dorf wieder aufgebaut gewesen. Geldspenden seien von Landesherren und dem Erzbischof von Mainz gekommen. Unterlagen der dem Brand zum Opfer gefallenen Kirche finden sich bei den Gemeinderechnungen. So sind die Gemeindevorsteher einige Male wegen des Kirchenneubaues beim Oberamt in Amöneburg geladen gewesen. Der Baumeister der Kirche war von Laubach und hieß Gambach. Der Maurermeister hieß Adam Amma aus Niederklein. Die Kalksteine für den Kalk sind in der Momberger Gemarkung gebrochen.

1703 ist das Gemäuer der Kirche in voller Arbeit gewesen. Die Kosten sind von der Gemeinde aufgebracht worden. 1704 sind zum Kirchbau von jedem Mann 30 Kreutzer in der Gemeinde erhoben worden. Der Steinmetz Michael Wollweber von Marburg hat das Gesims an der Kirche gemacht. Der Zimmermeister Martin Helfenritter aus Niederklein hat den Oberbau der Kirche und Sakrister gezimmert. Das Bauseil ist aus dem Deutschhaus in Marburg entliehen worden. Für das Entleihen wurden von der Gemeinde drei Gänse in das Deutschhaus gebracht. Der Maurermeister Georg Heinrich Rey hat das Chorgewölbe hergestellt. Die Decke über dem Kirchenschiff wird mit einr flachen Balkendecke geschlossen, an deren Unterseite man noch heute die Ansätze eines Deckenbildes erkennen kann.  Die Kirche wurde im barocken Stil ausgebaut.  Der Turmbau war 1715 fertiggestellt. Die wieder aufgebaute Kirche wurde am 08. Juli 1706 zu Ehren des heiligen Blasius eingeweiht. Eine Kirchenrechnung aus dem Jahre 1619 gibt den Hinweis, dass die Vorgängerkirche ebenfalls dem heiligen Blasius geweiht war. Ab dem Jahre 1736 ist die heilige Elisabeth von Thüringen als Zweitpatronin nachgewiesen.

Im Jahre 1886/87 wird eine gründliche Renovierung nach den Plänen des Architekten Prof. H. Schneider (Kassel) vorgenommen und die Kirche gotisch ausgestattet. So wurde unter die Balkendecke ein gotisches Gewölbe eingezogen. Auch die Altäre wurden gotisch gestaltet. Sie stammen aus der Schreinerwerkstatt Uthmann (Kassel). Die drei Fenster im alten Chor stellen rechts und links den schmerzhaften Rosenkranz dar. Das mittlere Fenster zeigt den heiligen Bonifatius und Sturmius. Der schöne Kreuzweg und die Pieta stammen von der Firma Pohl (Aachen). Im Jahr 1911 wird die Kirche von dem Kirchenmaler Wilhelm Lätters (Fulda) in neugotischem Stil ausgemalt.

Von 1917 bis 1959 war Herr Aloys Hild Pfarrer in Niederklein. Ein weltlich aufgeschlossener Pfarrer, der viel für die Gemeinde getan hat. So wurden schon 1923 drei neue Glocken aus der Glockengießerei G. Geittner (Breslau) angeschafft. In der Inflationszeit und auch während des Krieges war wenig Geld vorhanden, aber nach dem Kriege, ca. 1946, ging es mit den Renovierungsarbeiten an der Kirche voran. Das Dach wurde gründlich überholt. Die Orgel wurde ebenfalls überholt und motorisiert, sowie die Kirchenturmuhr wieder in Gang gebracht. Der Kirchenfußboden wurde mit Solnhofer Platten ausgelegt, neue Türen beschafft, und um die Kirche wurde ein großer Teil des Hofes gepflastert. Während des Krieges mussten drei Glocken abgegeben werden. Im Jahre 1950 wurden daher vier neue Glocken von der Glockengießerei O. Hermelingen (Bremen) angeschafft. Sie erklingen in den Tönen F, AS, B und C.

Von 1944 bis 1956 stand Pfarrer Hild der Pater Josef Schüler zur Seite, der ihm nach dem Kriege eine große Hilfe war. In der Gemarkung von Niederklein waren schon vor dem Krieg zwei Reichsarbeitsdienstlager gebaut worden. Nach dem Krieg wurden hier zunächst Fremdarbeiter untergebracht. Als diese auszogen, wurden hier Flüchtlinge und Heimatvertriebene aus dem deutschen Osten untergebracht. Hier ergaben sich für beide Geistliche große Aufgaben. In dem Lager Drausmühle wurde jeden Sonntag ein Gottesdienst gehalten. Von der Pfarrei Niederklein wurden die Flüchtlinge und Heimatvertriebenen in Lehrbach, Kirtorf, Appenrod und Dannenrod mitbetreut. Diese Arbeit ging so weit, dass den beiden Geistlichen zeitweise noch ein Kaplan zur Seite stand.

Ein trauriges Ereignis sei in diesem Zusammenhang noch erwähnt. Die Fremdarbeiter, die in den Lagern untergebracht waren, zogen durch die Dörfer und es kam zu Übergriffen. Besonders hatten die Draus-, Nix- und Totenmühle darunter zu leiden. Am 11. Mai 1945 wollten wieder Ausländer in der Drausmühle ihr Unwesen treiben. Aber einige Männer aus dem Dorf hielten sie davon ab. Als Vergeltung stürmten die Fremdarbeiter das Dorf und kamen auch am Pfarrgarten vorbei. Pater Schüler, der sich dort aufhielt, bat die Fremdarbeiter, von ihrem Vorhaben Abstand zu nehmen. Aber seine Worte fruchteten nicht. Er wurde mit einer Axt geschlagen und an Kopf und Beinen schwer verletzt. Zu Boden geworfen, wurde er noch mit Holzknüppeln geschlagen. Von diesen Verletzungen hat sich Pater Schüler nicht mehr richtig erholen können. Aber trotzdem blieb seine Schaffenskraft unermüdlich.

Im Jahre 1953 erfolgte eine Innensanierung, durch den Kirchenmaler Schiffhauer aus Melpertz (Rhön). Hier wurden auch neue Kirchenfenster, aus der Werkstatt Klonk (Marburg), für das Kirchenschiff angeschafft. Bei dieser Kirchensanierung wurden, auf Anraten der Landesdenkmalpflege, die holzgeschnitzten Rahmen an den Kreuzwegstationen und die Holztürmchen an den Seitenaltären entfernt.

1959/60 war J. Bettinger Kaplan in Niederklein. In diesen Jahren wurden auch eine lang ersehnte Warmluftheizung eingebaut.

Durch die steigende Einwohnerzahlen war der Platz für die damals zahlreichen Besucherinnen und Besucher der Gottesdienste in der Kirche nicht mehr ausreichend, und so entschlossen sich die Kirchengemeinde und der Kirchenvorstand, unter Pfarrer Georg Exner, das vorhandene Gotteshaus durch einen Anbau zu erweitern. Mit den Vorbereitungen wurde schon 1963 unter Pfarrer Richard Haas begonnen. Architekt Joachim Mende aus Kirchhain übernahm die Planungsarbeiten. Den Rohbau führte die Firma Bieker (Marburg) aus.  Vor dem Erdaushub, der von der Firma Rudolf Klaner (Niederklein) ausgeführt wurde, mussten mehrere Grabstätten umgebettet werden. Diese Arbeiten führte die Firma Reinhard Botthof aus. Die Putz- und Anstricharbeiten übernahm die Firma Albert Back (Stadtallendorf). Die Kirchenbänke lieferte die Firma Ullrich (Asterode). Bei diesem Umbau wurde die Holzempore abgebrochen und über dem alten Eingang eine Betonempore errichtet. Diese wurde allerdings bei den Renovierungsarbeiten 1997 wieder abgebrochen. Die Sakristei wurde in das Untergeschoss des Turmes verlegt. Am 28. November 1971 wurde der Erweiterungsbau von HHr. Weihbischof Prof. Eduard Schick unter großer Teilnahme der Niederkleiner eingeweiht.

1972 erhielt die Kirche eine neue Orgel aus der Orgelbauwerkstatt Schmidt (Gelnhausen).

Als am 01. September 1988 Pfarrer Peter Ludwig die Pfarrerstelle übernahm, stand am Erweiterungsbau schon ein Arbeitsgerüst. Pfarrer Ludwig musste die Betonsanierung, die bei Pfarrer Anton van Walderveen begonnen wurde, zu Ende führen. Pfarrer Ludwig wirkte bis 31.12.1994 segensreich in der Kirchengemeinde. In seiner Zeit wurde der untere Teil des Kirchenturmes und das Kirchendach mit Schiefer neu eingedeckt (vorher Dachziegel). Das Kirchendach erhielt bei der Dachschieferung Dachgauben. Die Arbeiten führte die Firma Reinhold Dörr (Kirchhain) aus. Die Kirchenuhr bekam neue Ziffernblätter aus Kupferblech. Die Kirche erhielt einen neuen Außenputz, ausgeführt von der Firma Colora (Neuhof). Im Kirchendach wurden morsche Balken ausgewechselt und fehlende oder durchgebrochene Balken von der Firma Pfeiffer (Emsdorf) ergänzt. Von Pfarrer Ludwig wurden auch die Innenrenovierungsarbeiten der Kirche und der Bau eines Pfarrheimes eingeleitet.

Am 01.01.1995 übernahm Pfarrer Peter Bierschenk in Niederklein seine erste Pfarrstelle. Er übernahm eine große bauliche, aber auch seelsorgerische Aufgabe. Die Kircheninnenrenovierung wurde 1996 begonnen und im Mai 1998 beendet. Die Malerarbeiten führte die Firma Back (Stadtallendorf) aus. Die Orgelempore bekam wieder ihren alten Platz. Das große Holzkreuz bekam seinen Platz unter dem Chorbogen. Erstmals wurde ein Beichthäuschen eingebaut. Es ermöglicht eine normale Beichte sowie auch ein Beichtgespräch. Das große neue Altarbild wurde von Frau Wanda Stockwitz aus Roßdorf bei Darmstadt gestaltet. Die Leitung der Renovierungsarbeiten lag in den Händen des Architekturbüros AJS, hier bei Herrn Rügemer, aus Kassel. Dieses Büro hatte auch die Leitung des Baus des neuen Pfarrheims.

Ein Schmuckstück in der Kirche ist das neue Altarbild im Erweiterungsbau; des weiteren der Kreuzweg, eine Pieta und das große Kreuz aus dem 15. Jahrhundert. Außerdem ist die Kirche im Besitz von Reliquien der Kirchenpatrone heiliger Blasius und heilige Elisabeth. Die kostbarste Reliquie ist ein heiliger Kreuzpartikel vom Kreuze Jesu Christi.

Nachdem die Innenrenovierungsarbeiten an der Kirche abgeschlossen waren, wurde im Jahr 1998 mit dem Bau eines Pfarrheimes begonnen. Nach einigen Hindernissen wurde es am 20. Mai 2001durch HHr. Weihbischof Prof. Ludwig Schick eingeweiht.

Im Jahre 2002 wurde im Glockenturm eine Treppenanlage eingebaut. Sie ersetzt die bisherigen Holzleitern. Über die Treppen kann nun ein unbeschwerlicher Auf- und Abstieg erfolgen. 

[Quelle: Text: Willi Brand Hermann Gruß, OP Hessenland vom 01.02.1958; Ortwin Koch, Glene im Lahngau]